Das Finanzgericht Baden-Württemberg befasste sich mit Urteil vom 19. Oktober 2016 (Az. 7 K 407/16) mit der Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Berufsausbildung und damit die Voraussetzungen für einen Kindergeldbezug enden. Das Gericht stellte im Wesentlichen auf das im Ausbildungsvertrag genannte Ende ab. Auf den Zeitpunkt der Abschlussprüfung komme es nicht an. Das Gericht ließ die Revision zu.
Der Kläger beantragte Kindergeld für seine Tochter, deren Ausbildung nach dem Schul- und Praxisvertrag am 31. August 2015 endete und auf die das Berufsausbildungsgesetz keine Anwendung finde. Für die Ausbildung sei das entsprechende Schulgesetz des Landes maßgeblich. Die Tochter bestand am 20. Juli 2015 die staatliche Abschlussprüfung. Die Schule bestätigte das Ausbildungsende zum 31. August 2015. Die Tochter erhielt im August 2015 noch eine Ausbildungsvergütung.
Im Ausbildungszeugnis wird eine Ausbildung vom 1. September 2012 bis 31. August 2015 bescheinigt. Mit Urkunde des Landes Baden-Württemberg vom 21. September 2015 ist die Tochter mit Wirkung zum 1. September 2015 berechtigt, die Berufsbezeichnung „staatlich anerkannte Heilerziehungspflegerin“ zu führen. Die beklagte Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung ab August 2015 auf und forderte für diesen Monat das Kindergeld zurück, da mit der bestandenen Abschlussprüfung, spätestens mit Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, die Ausbildung beendet sei.
Das Finanzgericht entschied, dass dem Kläger für seine Tochter Kindergeld für den Monat August 2015 zustehe. Die Berufsausbildung ende, wenn das Kind einen Ausbildungsstand erreicht habe, der es zur Berufsausübung nach dem angestrebten Berufsziel befähige. Das Berufsziel sei zwar in der Regel mit Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse erreicht, doch im Streitfall sei zu diesem Zeitpunkt das Ausbildungsverhältnis noch nicht beendet gewesen. Nach dem für die Ausbildung geltenden Landesgesetz in Verbindung mit einer Verordnung dauere die Fachschulausbildung drei Jahre. Nach der Bescheinigung der Fachschule sowie dem Ausbildungszeugnis habe die Ausbildung am 31. August 2015 geendet. Infolgedessen sei die Tochter im August 2015 noch praktisch ausgebildet worden und habe eine Ausbildungsvergütung erhalten. Hinzu komme, dass die Tochter erst ab 1. September 2015 befugt gewesen sei, ihre Berufsbezeichnung zu führen. Erst ab diesem Zeitpunkt stehe sie dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung. Die Festsetzung von Kindergeld für den Monat August 2015 entspreche auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Mit dem Kindergeld solle die kindbedingte Minderung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Eltern während der Ausbildungszeit des Kinds berücksichtigt werden. Für August 2015 habe die Tochter noch eine Ausbildungsvergütung erhalten. Im Übrigen sei es nicht nachvollziehbar, warum nach den für die beklagte Familienkasse geltenden internen Dienstanweisungen bei bestimmten Ausbildungsgängen zwar auf die gesetzliche Ausbildungsdauer abzustellen sei, dies jedoch trotz vergleichbarem Sachverhalt nicht im Streitfall gelten soll.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 01.12.2016 zum Urteil 7 K 407/16 vom 19.10.201616